Der „grüne Tunnel“ ist nicht grün 11. Oktober 202411. Oktober 2024 Illustration: ARGE Nord-Ost Seit ein paar Wochen geistert ein neuer Begriff durch die verkehrspolitische Diskussion: Ein „grüner Tunnel“ könnte gebaut werden. Für das Projekt machen sich mehr als zwanzig örtliche Unternehmen stark, darunter so namhafte wie Trumpf, Stihl, Mahle und Mercedes-Benz. Auf einer Website der Befürwortenden wird für das Projekt geworben: Ein mehr als zehn Kilometer langer, vierspuriger Tunnel soll entstehen. Versprochen wird, die Stuttgarter Stadtbezirke Zuffenhausen und Bad Cannstatt würden durch eine „Tangentialverbindung“ zwischen Fellbach und Kornwestheim von Durchgangsverkehr entlastet. Dabei wird ausgesprochen „grün“ argumentiert: Es entstünden neue Grünflächen bei Kornwestheim und Fellbach, und durch die unterirdische Bauweise würde die wertvolle Natur über dem Tunnel nicht geschädigt. Die Idee einer solchen Nordost-Verbindung um Stuttgart ist nicht neu. Seit Jahrzehnten wird darüber diskutiert, und seit Jahren argumentiert die ARGE Nord-Ost, eine Bürger*inneninitiative dagegen. B90/Grüne in Zuffenhausen haben dieses Engagement immer unterstützt. Auch der jetzt vorgeschlagenen Tunnellösung stehen die Grünen äußerst skeptisch gegenüber. Es gibt viele ökologische Argumente gegen einen solchen Bau, insbesondere die damit verbundene CO2 -Belastung und die enorme Schädigung des Bodens mit seiner außergewöhnlichen und vielfältigen Biodiversität. Das gilt auch bei einem Tunnelbau, da dieser in großen Teilen (bei Kornwestheim und zwischen Oeffingen und Fellbach auf dem „Schmidener Feld“) in offener Bauweise erfolgen würde. Der wertvolle Boden müsste also zunächst abgetragen werden. Die Grünen in Zuffenhausen werden sich dafür einsetzen, die Menschen im Stadtbezirk vor noch mehr Verkehr zu schützen. Zuffenhausen ist bereits jetzt hochbelastet durch Abgase und Lärm (siehe z.B. Lärmaktionsplan der Stadt Stuttgart). Eine neue vierspurige, autobahnähnliche Verbindung, die nach Aussagen der Projetbefürworter mindestens 1,6 Milliarden Euro kosten würde, wird nach aller Erfahrung nicht weniger, sondern mehr Verkehr in und durch den Stadtbezirk lenken – nach dem Prinzip: Wer Kapazitäten schafft, wird Verkehr ernten. Aus grüner Sicht wäre daher das Geld besser angelegt in leistungsfähigerem Öffentlichem Nahverkehr, in diesem Fall vor allem dem Ausbau der S-Bahn, um schnell , verlässlich und bequem aus dem Norden in den Osten der Metropolregion (und wieder zurück) zu kommen. Für die Grünen in Zuffenhausen ist daher der „grüne Tunnel“ keine grüne Idee. Die Diskussion um das Projekt werden die Grünen genau verfolgen – und auch die Auswirkungen auf die Verkehrsbelastung im Stadtbezirk zum Thema im Bezirksbeirat machen. Mehr Informationen über ein gutes Miteinander im Verkehr in Zuffenhausen finden sich hier.
Durch Bodenkundliche Baubegleitung soll doch laut Erläuterungen auf http://www.gruener-tunnel.de die Leistungsfähigkeit der Böden wiederhergestellt werden? Und wenn wir mal ehrlich sind: die Böden auf dem Schmidener Feld und Langen Feld sind zwar sehr fruchtbar, aber wirklich natürlich ist doch dort schon lange nichts mehr durch die Monokulturen: Maisfeld an Maisfeld. Das einzige, was noch in Ansätzen für etwas Biodiversität sorgt, sind die kleinen Blühstreifen neben den Feldern…. Und was das CO2 angeht: bis der Tunnel mit Planfeststellung usw. endlich gebaut werden kann, gibt es ohnehin Methoden der Bauindustrie, damit man solch einen Tunnel bauen kann, ohne einen CO2-Abdruck zu hinterlassen. Wenn der Verkehr rollt, dann entsteht weniger Reifenabrieb und weniger Feinstaub. Ein Tunnel ist doch viel besser, als eine Straße an der Oberfläche. Und dass die jetzige verkehrliche Situation unbefriedigend ist, das ist wohl unbestritten. Mich wundert es nicht, wenn namhafte Unternehmen aus der Region ihren Standort gefährdet sehen. Wir sollten etwas tun, um Arbeitsplätze und Wohlstand hierzubehalten und die Rahmenbedingungen stärken – auch mit einer guten Infrastruktur – damit die Unternehmen der Region nicht eines Tages den Rücken kehren… Antworten
Hallo Herr Bruder, vielen Dank für Ihren Beitrag. Der Internetauftritt http://www.gruener-tunnel.de vermittelt leider irreführende und unvollständige Informationen. Der „grüne Tunnel“ ist keine neue Idee, sondern hier handelt es sich um den von Umweltinitiativen und Landwirt*innen stark kritisierte Nord-Ost-Ring (weitere ausführliche Informationen finden Sie hier: http://www.arge-nord-ost.de/arge/). Hier wird mit einem neuen Namen für eine alte Idee geworben, die sich in der Vergangenheit nicht durchsetzen konnte. Der Initiator der Kampagne für den „Grünen Tunnel“ Dr. Rüdiger Stihl hat die Initiative kürzlich auch in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung vorgestellt. Es geht um einen ca. 10,7 Kilometer langen Tunnel, der mindestens 1,6 Milliarden Euro (!) kosten soll. Aus meiner Sicht ist eine solche Investition in den motorisierten Individualverkehr grundsätzlich und aus Klimaschutzgründen nicht mehr zeitgemäß. Die Entwicklung in anderen Ländern zeigt, dass der Ausbau von Straßen nicht zu weniger, sondern zu mehr Verkehr führt: Wer Kapazitäten sät, wird Verkehr ernten. Es ist ein allgemeiner Irrglaube, dass durch Zubau von Straßen der Verkehr wieder fließt. Auch ich wünsche mir sowohl eine Entlastung der Region vom motorisierten Individualverkehr, als auch eine Sicherung der Attraktivität der Region als Wirtschaftsstandort für die genannten namhaften Unternehmen. Allerdings durch beispielsweise den stärkeren Ausbau des ÖPNV oder Ermöglichung des arbeitsplatznahen Wohnens durch Wohnungsbauförderung. Bei der Herstellung von Beton gibt es bisher noch keine kommerziellen Verfahren um großtechnisch CO2-neutral zu kalzinieren. Bisher wird eine CO2-Neutralität durch nachträgliche, meinst nur finanzielle Kompensation hergestellt. Deshalb ist die CO2-neutrale Herstellung von Beton noch in weiter Zukunft und kann bei der Beurteilung solcher Bauvorhaben noch nicht berücksichtigt werden. Ich setze mich wie in der Vergangenheit für den Erhalt der wertvollen Freiflächen im Nordosten Stuttgarts als ökologisch wertvolle Landwirtschaftsflächen, als naturnahes Naherholungsgebiet und als Rückzugsgebiet gefährdeter Tier- und Pflanzenarten ein. Beste Grüße Lukas Goy Antworten